Erst acht Objektive bietet Fujifilm für die GFX-Mittelformatkameras an, aber bereits drei Objektive decken den Bereich um 120mm (KB-äquivalent 95mm) ab. Für welches sollte man sich entscheiden?
Einsteiger in das Fuji GFX-System, die Portraits oder Landschaften fotografieren wollen, stehen vor einer schweren Entscheidung. Gleich drei Objektive bieten sich für diese Aufgabe an:
Alle drei Objektive sind staub- und spritzwassergeschützt (WR), besitzen einen Linearmotor (LM) für den Autofokus und bis auf das GF110 haben sie einen optischen Bildstabilisator (OIS).
Dieser Blogbeitrag ist weder ein Testbericht, noch enthält er im Labor gewonnene Messergebnisse, denn ich bin Fotograf und kein Messtechniker. Er ist ein Bericht über die Erfahrungen, die ich in den letzen Jahren und Monaten mit diesen drei Objektiven sammeln konnte. Er soll vor allem jenen Fotografen als Entscheidungshilfe dienen, die sich für Fujis GFX System ein Teleobjektiv zulegen wollen.
GF120mm
Das GF120mm Marco war das erste Objektiv dieses Dreigestirns, das Fujifilm herausgebracht hatte. Damals im Februar 2017 war es das einzige Objektiv der GF-Reihe, das diesen Brennweitenbereich bediente. Mit einer maximalen Blendenöffnung von F4 bietet es genug Freistellungspotential an einem Mittelformatsensor bei Headshots oder Brustbildern. Da es ein Makroobjektiv ist und einem Abbildungsmaßstab von 1:2 bietet, können auch Ausschnitte eines Gesichts ohne zu kroppen aufgenommen werden. Typisch für ein Makroobjektiv ist die extreme Schärfe, mit der diese Linse abbildet. In der Portraitfotografie ist hohe Schärfe aber nicht immer gewünscht. Daher musste ich bei einigen Portraits etwas mehr Zeit in die Nachbearbeitung und Hautretusche investieren. Das GF120mm arbeitet dank seines sehr guten Mikrokontrastes jedes kleinste Fältchen, jede Gesichtspore messerscharf heraus.
In der Landschaftsfotografie zeigen sich für mich eindeutig die Stärken des GF120mm. Ich nehme es gerne, um Landschaften zu verdichten. Alleen werden enger, Wege zu Tunneln, wenn man diese Brennweite geschickt einsetzt. Die außerordentliche Schärfe bringt jedes Detail hervor.
Darüberhinaus ist es ein Makroobjektiv mit einem Abbildungsmaßstab von 1:2. Das macht dieses Objektiv für Landschafts- und Naturfotografen noch vielseitiger. Auch Details am Wegesrand lassen sich somit ohne Objektivwechsel einfangen. Bei 45 cm Naheinstellungsgrenze bleibt genug Platz zwischen Motiv und Objektiv, um bei Bedarf Lichtquellen zu platzieren. Der optische Bildstabilisator (OIS) unterstützt mit 3-4 Blendenstufen. Das Stativ bleibt in der Natur bei dieser Leistung öfter im Rucksack oder gleich zuhause.
Ich empfehle dieses Objektiv klar für Natur- und Landschaftsfotografen. Wer seinen Schwerpunkt eher in der Portraitfotografie sieht, sollte sich intensiver mit den beiden anderen Objektiven auseinandersetzen.
GF110mm
Bereits im Juli 2017 war das GF110mm verfügbar. Es verzichtet im Gegensatz zum GF120mm auf einen optischen Bildstabilisator, dafür bietet es aber eine Anfangsblende von F2. Zehn Milimeter Brennweitenunterschied, etwas größere Blende - macht sich das im Ergebnis bemerkbar? Ja und wie!
Ich hätte es nicht gedacht, aber das GF110mm besitzt einen komplett anderen Charakter. Hautpartien werden wesentlich weicher wiedergegeben und dennoch ist es schon bei Offenblende bis in die Bildränder sehr scharf. Das Bokeh ist um einiges cremiger als jenes vom GF120mm. Lichtpunkte werden sauberer, als ganz Fläche gerendert und nicht als Donats wie beim 120mm abgebildet (vergleiche im Foto unten den Lichtreflex vom Ring der rechten Hand mit den Lichtreflexen im Froschbild oben).
Die Fähigkeit Objekte sehr plastisch abzubilden, zeichnet das GF 110mm aus. Portraits erhalten den bekannten 3D-Pop. Der Schärfeverlauf des Mittelformatsensors verstärkt den Eindruck um so mehr.
Obwohl nur ein geringer Brennweitenunterschied zum GF120mm besteht, ist das GF110mm für mich das Portraitobjektiv an der Fuji GFX geworden. Der fehlende Bildstabilisator stört nicht. Im Studio blitze ich gewöhnlich und für Outdoorportraits insbesondere bei Ganzkörperportrais ist die großen Blendenöffnung sehr nützlich.
GF100-200mm
Anfang 2019 brachte Fujifilm schließlich ein drittes Objektiv im kurzen Telebereich heraus. Es ist erstmals ein 2fach-Zoomobjektiv mit dem Brennweitenbereich 100-200mm (KB-äquivalent 79-158mm). Das Zoom verfügt über einen sehr effektiven Bildstabilisator, der bei ruhiger Hand bis zu vier Blendenstufen bringt.
Der erste Eindruck hat mich staunen lassen. Das GF100-200mm ist mit 1050 g sehr leicht, der Fokusmotor schnell und leise. Was mich aber am meisten beeindruckt: das Objektiv ist innenfokussierend und -zoomend. Es verändert seine Länge beim Zoomen und Fokussieren nicht! Obwohl es wenig wiegt und daher das Kamerabajonet kaum belastet, wird es mit einer Stativschelle geliefert. Sie ist beim schnellen Wechsel zwischen Hoch - und Querformat hilfreich, ohne dass man die Kamera vom Stativ nehmen muss.
Mit dem separat erhältlichem Fujinon GF 1.4x TC WR Telekonverter kann man die Brennweite bezogen auf Kleinbild auf 111-221 mm erweitern. Die größte Blende ist dann allerdings nur noch F/8.
Ich muss gestehen, ich war sehr skeptisch, sogar etwas enttäuscht, als Fujifilm dieses Objektiv angekündigt hat. Ich habe mir etwas Spezielleres gewünscht, z.B. ein Tilt-Shift. Aber nicht schon wieder ein Objektiv, das den selben Brennweitenbereich abdeckt, wie die beiden oben besprochenen Linsen. Außerdem ist es ein Zoomobjektiv. In der Regel bevorzuge ich Festbrennweiten!
Um das GF100-200mm zu testen, habe ich es mir ausgeliehen. Wie schon erwähnt hat mich das geringe Gewicht dieses Telezooms positiv überrascht. Es ist zwar mit 1050 g knapp das schwerste Objektiv unter den getesteten, aber der Unterschied zum Leichtesten beträgt nur 70 g.
Zunächst hat mich interessiert, ob Blende F/5.6 ausreicht? Die längeren Belichtungszeiten, die man bei dieser Anfangsöffnung in Kauf nehmen muss, gleicht der sehr effektive optische Bildstabilisator wieder aus. Außerdem fotografiere ich Landschaften sowieso oft mit viel kleinerer Blende, wenn ich ein kurzes Teleobjektiv verwende. Und wie sieht es mit dem Freistellungspotential und dem Bokeh aus? Auf dem Foto unten wurde bei 200mm Brennweite und Blende F/5.6 an der Naheinstellgrenze auf den Mohn fokussiert. Es ist schön zu sehen, wie plastisch die Ähren des Getreides in der Schärfeebene abgebildet werden. Das Bokeh im oberen Bildbereich wirkt ruhig und sehr harmonisch.
In einer ganz anderen Situation zeigt das GF100-200mm bei 100 mm Brennweite weitere Stärken. Das Foto der Tür wurde vom Stativ bei 15 Sekunden Belichtungszeit und Blende F/22 aufgenommen. Trotz der großen Tiefe des Motivs wird vom Vordergrund bis zum Hintergrund alles scharf abgebildet. Die Wandstruktur wird detailliert wiedergegeben. Beugungsunschärfe macht sich kaum bemerkbar.
Sollte man den OIS bei Langzeitbelichtungen vom Stativ abschalten? Ich habe das Motiv mehrfach mit und ohne OIS geschossen. Die Unterschiede sind beim GF100-200 nicht sichtbar.
Das GF100-200mm wurde mir im Laufe der Testphase immer sympatischer. Es ist das große Allroundtalent unter den drei getesteten Objektiven.
Fazit
Ich fotografiere entweder Portrait oder Landschaften. Für beide Genres gibt es für mich klare Favoriten. Das GF110 ist und bleibt meine Lieblingsportraitlinse. Das cremige Bokeh und die Art, wie Haut gerendert wird, macht es für mich zur ersten Wahl in dieser Klasse.
In der Lanschaftsfotografie bevorzuge ich das GF120mm. Es bietet eine hohe Schärfe, kann Landschaften verdichten und bietet eine Makrofunktion. Der maximale Abbildungsmaßstab 1:2 ist zwar nichts Besonderes, aber für die meisten Aufnahmen von Details am Wegesrand vollkommen ausreichend.
Und wo sortiert sich das GF100-200mm ein? Für mich ist es die große Überraschung in diesem Bericht. Trotz anfänglicher Skepsis hat es mich rundum überzeugt. Blende F/5.6 ist für mich bei Landschaft und vielen Protraitsituationen vollkommen ausreichend. Der vermeindliche Zwang zur Offenblende - gerade bei Portraits - finde ich größtenteils überbewertet. Durch den 2fach-Zoom und der Möglichkeit, den 1,4fachen Telekonverter zu nutzen, steigert sich die Vielseitigkeit dieses Objektivs.
Hätte ich noch keines dieser drei Objektive und müsste mich für eins entscheiden, würde mein Wahl wahrscheinlich auf das GF100-200mm fallen. Es kann (fast) alles und schont den Geldbeutel.
Frei nach dem Motto der drei Musketiere: "Alle für einen - eins für Alles!"
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