Ein Abend im Herbst auf der Trabrennbahn in Daglfing. Es ist Renntag. Einer von nur noch zwei Renntagen pro Monat. Der Trabrennsport hat schon bessere Tage erlebt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Tribünen gefüllt waren und tausende Zuschauer die Rennen verfolgten. Heute sieht es düster aus. Nur wenige Dutzend Zuschauer - wahrscheinlich weniger als 50 - stehen am Rand der Rennbahn.
Das Gelände ist großzügig angelegt. Die 1000-Meter-Bahn wird von etlichen Flutlichtscheinwerfern gut ausgeleuchtet. Der Himmel ist spektakulär. Große Wolken stehen am Horizont, durchbrochen von Wolkenlöchern, durch die die letzten Sonnenstrahlen stoßen. Untergangsstimmung. Vor der Rennbahn stehen drei große Tribünenkomplexe. Zwei aus Stahl und Beton, einer aus Holz. Zwei stehen leer. Nur der mittlere ist noch in Betrieb.
In dem Gebäude befindet sich die Wetthalle. Auch sie ist großzügig dimensioniert. Es gab hier einst zahlreiche Wettschalter. Heute sind noch vier in Betrieb. Davon ist allerdings nur einer besetzt. Kurz vor den Rennstarts ist kein Wettinteressent zu sehen.
Durch leere Gänge und Treppenhäuser gelangt man in den Restaurationsbereich. Unterwegs trifft man auf Relikte längst vergangener Zeiten. Ortsfernsprecher - verglaste Kabinen, in denen mal Münztelefone standen. Oder die modernere Variante einer offenen Muschel. Das Telefon ist schon lange verschwunden, aber ein paar Telefonbücher existieren noch - Ausgabe 1998.
Im Restaurationsbrereich wärmen sich einige Zuschauer auf. Von den Tischen hat man durch die großen Fenster direkten Blick auf die Rennbahn. Früher wurden die Speisen am Tisch serviert, sagt mir ein älterer erfahrener Rennsportfan. Heute ist Selbstbedienung. Es gibt das übliche Kantinenessen: Currywurst Pommes, Bockwurst und Gulaschsuppe.
Draußen laufen die Vorbereitungen. Die Bahn wird präpariert. Ein großer Traktor zieht einsam seine Runden. Im Schlepp ein Netz, das die Spuren vom Einlaufen verschwinden lässt.
Dann geht es endlich los. Ein Rennen mit einem Autostart. Die Gespanne werden hinter dem Auto, an dessen Rückseite ein flügelartiges Gitter angebracht ist, durch die Kurve geführt und langsam an die Renngeschwindigkeit herangeführt. Auf der Zielgeraden beschleunigt das Startauto, klappt das Startgitter ein und verlässt die Rennbahn. Die Traber haben jetzt freie Bahn und sortieren sich ein.
Die Rennen sind normalerweise mit wenigen tausend EURO ausgeschrieben. Nur noch selten liegt die Dotierung im unteren fünfstelligen EURO-Bereich. Viel Aufwand für wenig Ertrag.
Auf der Zielgraden entfaltet sich die Dynamik der Pferde. Das Schlagen der Hufe auf der Bahn wird lauter. Man spürt ein leichtes Beben, wenn die Pferde vorbeiziehen.
Nach jedem Rennen gibt es eine Siegerehrung. Pferd und Fahrer präsentieren sich in einer Box vor der Haupttribüne.
Danach wird die Bahn wieder für das nächste Rennen präpariert. Solange bis der Renntag endet. Die Dämmerung ist längst der dunklen Nacht gewichen. Nach dem letzten Rennen gehen die Lichter auf der Rennbahn aus. Bald werden sie in Daglfing ganz verloschen sein. Das Ende der Rennbahn ist bereits besiegelt. Das Gelände ist verkauft und die Rennbahn weicht einer Wohnsiedlung. Spätestens 2025 ist das letzte Rennen gefahren - die Dämmerung des Trabrennsports hat längst begonnen.
Comments